Die 10 Netzgesetze



(1) Komplexitaet
Lebende Netze bestehen aus vielen Komponenten, die untereinander agieren und reagieren. Auf Impulse von aussen antworten aufgrund der Verflechtung nicht einzelne Knoten, sondern ein ganzes Ensemble. Dadurch laesst sich das Verhalten eines Netzes schwer voraussehen und kontrollieren.

(2) Nichtlinearitaet
Aufgrund von zahlreichen inneren Wechselwirkungen zeigen Netze nichtlineares Verhalten, das heisst, Ursachen und Wirkungen stehen nicht in proportionalem Verhaeltnis. Durch positive Rueckkopplung koennen sich kleine Ereignisse folgenreich aufschaukeln.

(3) Emergenz
Das ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Dieses "Mehr", die neue Qualitaet, entsteht durch die jeweilige Art der Vernetzung. Sie erzeugt hoehere Komplexitaet aus vielen einfachen Komponenten. So waechst das Einzelne ueber sich selbst hinaus. Mehr ist anders.

(4) Lernfaehigkeit
Netze sind in der Lage, ihre Stabilitaet zu bewahren, waehrend sie auf Veraenderungen und Impulse der Umwelt reagieren. Bei Stoerungen von aussen veraendern sie das Muster ihrer Verschaltung. Je komplexer, desto mehr Optionen fuer den Wandel.

(5) Selbstorganisation
Komplexe, nichtlineare Systeme koennen sich aus eigener Kraft strukturieren und Stabilitaet gewinnen. Die interagierenden Elemente handeln nach einfachen Regeln und erschaffen dabei aus Chaos Ordnung, ohne eine Vision von der gesamten Entwicklung haben zu muessen.

(6) Chaos
Lebende Netze bewegen sich in einem kritischen Phasenuebergang zwischen Chaos und Ordnung. Dort finden sie Kreativitaet und Stabilitaet in optimaler Mischung. Am Rande des Chaos ringen sie um ein Fliessgleichgewicht, das innovationsfeindliche Erstarrung ebenso hindert wie krisenanfaellige Anarchie.

(7) Robustheit
Rechnen, Denken und Handeln verteilen sich in Netzen auf eine Vielzahl von Komponenten. Wichtige Funktionen sind redundant, das heisst mehrfach angelegt. Versagt ein Teilsystem, springen andere ein. Das System duldet kleine Fehler, um grosse zu vermeiden.

(8) Symbiosen
Buendnisse zu wechselseitigem Nutzen sind eine Form von Vernetzung, bei der die Partner gemeinsam gewinnen und verlieren, gleichzeitig lernen und lehren. Symbionten koennen aber auch zu Parasiten werden und umgekehrt. Das Auftreten von Schmarotzern stimuliert oft eine Koevolution von Fortschritten.

(9) Diversitaet
Netze vereinen die verschiedensten Varianten, Charaktere, Funktionen, ohne deren Unterschiede zu nivellieren. Hohe Vielfalt erschafft ein Mehr an Moeglichkeiten, flexibel auf Umweltveraenderungen zu reagieren.

(10) Small World
Obwohl selbstorganisiert, verknuepfen sich lebende Netze nicht nach dem Zufallsprinzip. Sie zeigen immer aehnliche Muster: Eine kleine Zahl von Knoten ist hochgradig, der ueberwiegende Teil gering vernetzt. Die inhomogene Struktur wirkt stabilisierend, denn zufaellige Ausfaelle treffen mit hoher Wahrscheinlichkeit gering vernetzte Knoten. Das System funktioniert weiter.



[Gleich, Michael 2002: web of life, die kunst vernetzt zu leben.]